Zur Bezeichnung affektiver Erkrankungen und insbesondere der
Depression existieren zahlreiche Begriffssysteme und Einzelbezeichnungen.
Der Hintergrund ist die lange und wechselhafte Geschichte
der Begriffe, die mit unterschiedlichen Vorstellungen zu den Ursachen
depressiver Erkrankungen einherging. Mit dem ICD-10 - dem
Klassifikationssystem für Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation -
wurde ein rein beschreibendes Begriffsystem etabliert. Die
unterschiedlichen affektiven Erkrankungen werden im Kapitel F3 des
ICD10-Klassifikationssystem ausschließlich im Hinblick auf ihre Symptome
und Symptomkomplexe (Syndrome) bezeichnet und nummeriert (F30-F39).
Begriffe wie "endogene" oder "exogene" Depression, die
sich ja auf Vorstellungen zur Verursachung (durch "innere" und
"äußere" Ursachen) beziehen, werden somit nicht mehr
verwendet.
Es gibt zwei Ordnungskategorien, nach denen sich die
affektiven Erkrankungen gemäß dem ICD-10 zum besseren Verständnis grob
klassifizieren lassen. Die Erste ist eine Kategorie, die man mit
"Polarität" bezeichnen könnte. Sie ordnet affektive
Erkrankungen danach, ob sie mit übermäßig positiven, euphorischen
Gefühlen einhergehen (Manie) oder mit dysphorisch-negativen Gefühlen
(Dysphorie bzw. Depression). Da es auch affektive Krankheitsbilder gibt,
bei denen sich beide Zustände abwechseln - so genannte bipolare
Störungen mit sowohl manischen als auch depressiven Phasen -, ist die
Kategorie "Polarität" dreistufig:
Bei etwa 2/3 aller affektiven Erkrankungen handelt es sich
um monopolare Depressionen. Ca. 20-30% der affektiven Erkrankungen sind
bipolar; monopolare Manien sind sehr selten.
Die zweite Ordnungskategorie bezieht sich auf den
Erkrankungsverlauf. Man kann sie als "Phase" bezeichnen,
weil das Auftreten einer affektiven Erkrankung einmalig sein kann
Ein Beispiel für eine monopolare polyphasische Depression
wäre nach diesem System die saisonale
Depression, die jährlich in den Herbst-Winter-Monaten wiederkehren
kann. Neben der bipolaren (manisch depressiven) affektiven Störung (F31)
tritt auch die rezidivierende depressive Störung (F33) wiederholt auf.
Eine einmalig (episodisch) auftretende Manie oder Depression wird als
manische Episode (F30) bzw. depressive Episode (F32) bezeichnet.
Depressive Episoden dauern meist etwas unter einem halben Jahr an,
bisweilen dauern sie aber auch bis zu einem Jahr an. Manische Episoden
sind etwa dreimal seltener als depressive Episoden und dauern meist auch
weniger lange als diese. Beide Erkrankung wären nach dem dargestellten
Schema also monophasisch und monopolar zu klassifizieren.
In die Gruppe der nicht-episodischen sondern anhaltenden
(aber geringer ausgeprägten) affektiven Störungen fallen die Zyklotymia
(andauernde Instabilität der Stimmung, mit zahlreichen Perioden leichter
Depression und leicht gehobener Stimmung) und die Dysthymia (chronische
depressive Verstimmung)